"Theodora-Eusebia, ich bitte Dich kurz um Deine ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich möchte, dass Du jetzt tust was ich sage. Ich finde es anstrengend, immer wieder mit Dir über dieses Thema reden zu müssen!". Theodora-Eusebia hielt einen kurzen Moment inne, schaute ihre Mutter verständnislos an und brüllte dann unbeirrt weiter.
Was soll ein 14-monatiges Kleinkind auch anderes tun - vielleicht etwa die Diskussion aufnehmen und mit der Frau Mama das Dafür und Dagegen bezüglich dem Sinn sich in den Buggy zu setzen, lang und breit debattieren?
Theodora-Eusebia jedenfalls hielt es für angebracht, ihren Protest mittels schmerzend-lauten Tönen durch das Flughafengebäude in Düsseldorf zu verteilen. In sämtliche Hörgänge sämtlicher Reisender im Umkreis von gefühlten 5km.
Natürlich heisst Theodora-Eusebia nicht Theodora-Eusebia ... schliesslich muss der Personenschutz gewahrt bleiben. Aber so in etwa hiess das Kind. Richtung Aglaia-Viktoria. Nennen wir sie der Einfachheit halber Theo. Die Mutter nennen wir einfach Mutter.
Theo robbte also unbeirrt über den Boden - mal hin zu dem Laden mit den teuren Ledertaschen - um dann wieder beim Spirituosenhändler gefährlich nahe an die Flaschen zu gelangen. Mutter liess gewähren ... um dann Theo im letztmöglichen Augenblick noch abzufangen und wieder mit ihr zu diskutieren. Nachdem Theo es dann endlich geschafft hatte sich bei den Ledertaschen erfolgreich hochzuangeln und das eine teure Stück anfing zu kauen, da verfrachtete Mutter unsere kleine Sirene Theo in den Buggy.
Theo spannte sich wir ein Pfeilbogen in diesen Buggy, schrie, tobte, trotzte, spuckte, strampelte. Erfolgreich. Mutter löste den Gurt, nahm Theo auf den Arm und diskutierte mit ihr munter weiter über Erziehungsmethodik, Sinn und Unsinn der leidigen Taschenkauerei und Folgekosten diesbezüglicher Aktionen.
Theo schrie unterdessen völlig unbeeindruckt ob Mutters Redeschwall munter weiter.
Ich mag Kinder. Sehr sogar! Hab ja selber 2 Ableger und kenne sämtliche Vor- und Nachteile ...
Bin in all den Fernbeziehungsjahren mit unzähligen Nachwuchsfliegern im Alter zwischen 2 Monaten und 14 Jahren zwischen Zürich-Düsseldorf-Zürich rumgegondelt - manchmal hab ich auch auf sie aufgepasst, wenn sie denn nur so einen Umschlag umhängen hatten und ohne Begleitung unterwegs waren. Oder Mama, wahlweise Papi, kurz mal aufs Klo musste.
Eigentlich immer eine durchwegs gute Erfahrung ... bis vielleicht auf den Jungen, der mich beim Anflug auf Düsseldorf infolge Aufregung endlich mal wieder seinen Pa zu sehen, von oben bis unten vollk.... na ja, ihr wisst schon was ich meine. Ein Mädchen wollte mich mal mit seinem Vater verkuppelt - und bestellte diesen gleich an den Flughafen.
Hätte da ein paar lustige Geschichten auf Lager...!
Aber noch nie in all den Jahren kam mir so was wie Theo unter, vor allem aber nie so was wie Theos Mutter!
Und - der geneigte Leser weiss was jetzt kommt - logischerweise sass Theo samt Mama mit uns im Flieger. 2 Reihen vor mir. Theo schien es keineswegs zu mögen, wenn sie durch irgendwas oder irgendwen festgehalten wurde. Aber manchmal ist das halt nötig. Dringend nötig sogar - zum Beispiel bei Start und Ladung.
"Würden Sie sich bitte anschnallen und ihr Kind mittels dem Zusatzgurt sozusagen an Ihnen anschnallen und die Kleine dann auf Ihren Schoss setzten?" fragte die Flugbegleiterin freundlich aber bestimmt das Theo-Mama. Theo-Mama entgegnete:
"Aber meine Tochte mag es nicht, wenn sie angebunden wird, da wird schon nix passieren".
Flugbegleiterin:
"Es ist aber Vorschrift und das Kind MUSS angeschnallt sein - sonst können wir nicht starten".
Mama Theo machte mürrisch Anstalten Theo den Gurt umzulegen. Diese wiederum schrie in höchsten Tönen, war innert Minuten knallrot im Gesicht.
Die Flugbegleiterin auch. Mama Theo begann mit ihr zu diskutieren:
"Einem Kleinkind tut es im pädagogischen Sinne nicht gut, wenn man ihm seinen Willen bricht. Ich möchte nicht, dass meine Tochter von Aussen bestimmt wird, sie soll selber entscheiden, was sie möchte. Und den Gurt anlegen möchte sie nicht!".
Flugbegleiterin - am Ende ihrer Geduld (schliesslich brüllte Theo bereits seit dem Boarding vor 20 Minuten!):
"Wenn Sie es für pädagogisch sinnvoller halten, dann lassen sie das Kind halt am Flughafen zurück. Wollen Sie es aber wirklich mitnehmen, dann M U S S E S J E T Z T E N D L I C H A N G E S C H N A L L T W E R D E N !".
Mutter schüttelte erzürnt den Kopf und zwängte nach dieser klaren Ansage Theo endlich in den Gurt. Dabei selbstverständlich mit ihr über das fehlende Feingefühl Anwesender im Allgemeinen - und den Mut zur Selbstverwirklichung im Besonderen diskutierend. Theo interessierte weder Feingefühl noch sonst was - sie brüllte aus Leibeskräften. Schlimm! Spannte sich zappelnd nach hinten wie eine Brücke und schlug dabei mit dem Fuss dem Sitznachbarn den bunten, sicherlich ergonomisch wertvollen Kinder-Schuh ins Gesicht.
"Ja, das hat man nun davon, wenn man die Flugzeuge so eng bestuhlt!" erzürnte sich Mutter - ohne sich in irgendeiner Form zu entschuldigen.
"Arme Theodora-Eusebia, wirst hier geplagt - nur damit andere Menschen ihren Willen durchsetzen können".
Während dessen hatte die um sich schlagende Theo die langen Haare der Dame vom Hintersitz gekrallt und zog - ihren Unmut demonstrierend - heftigst daran.
"Wären Sie so freundlich ihrem werten Kinde zu erklären, dass man andere Leute nicht an den Haaren zieht!" - bat die sichtlich und zu Recht entnervte Frau Theos Mutter. Diese erwiderte:
"Wollen SIE jetzt auch noch MIR Vorschriften machen - reicht es nicht, dass meine Tochter hier genötigt wird?!?"
So ging das die ganze Zeit - eine ganze Flugstunde lang! Theodora-Eusebia brüllte, T.E.'s Mutter diskutierte mit ihrer Tochter, dem Kabinenpersonal, den anderen Passagieren.
Ich war selten so froh, endlich Boden unter den Füssen zu haben! War das ein nerventötender Flug! Und wenn ICH das sage, hat es war zu heissen! Echt!
In all dem ist völlig untergegangen - und fast hätte ich es vergessen zu erwähnen - die Tatsache, dass ich neben einem Mitpassagier eingeklemmt war. Regelrecht eingeklemmt. Der gute Mann hatte sicherlich an die 200 Kilo und passte nur in den Sitz, weil wir in unserer 3-er Reihe die Armlehnen nach oben klappten und der Mann einen Zusatzgurt kriegte um sich anzuschnallen.
Ich bin ja selber XL, aber trotzdem durchaus noch Flugsitzkompatibel und Anschnallfähig!!
Stellt euch meine Pein vor - seitlich gequetscht und von vorne nervlich zermürbt.
Dann noch Katerlis Nasen-Rand-Grünschimmer infolge Flug-Unwohlseins.
Habe ich was vergessen?
Ah ja: 38.5 Fieber und akuter Schlafmangel!
Zu konstatierender Allgemeinzustand: Zerbröselt in meine violetten Einzelteile.
Gefallen hat mir aber die Verabschiedungs-Ansage vom Kapitän:
"Liebe Gäste an Board unserer Maschine - wir danken dass Sie mit AIR-BERLIN geflogen sind, wünschen Ihnen nun einen guten Nachhauseweg und schönes Verweilen in der Schweiz. Persönlich anmerken möchte ich: Ein Kondom schützt sie vor Vielem. Ich spreche hier im Namen der Besatzung und wohl vieler Passagiere. Schönen Abend noch!"
In dem Sinne:
HAPPY LANDING IN DIESER NEUEN WOCHE!